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Artikel

"Von der Geldwäscheprävention schrittweise zum gläsernen Kunden"
Donnerstag, 30. Juni 2005

Zeit: 19.30 Uhr
Ort: Volksbank, Wiesloch

"Hier hat die Politik versagt". Zu diesem Resümee kam Joachim Frey, stellvertretender Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Baden-Württemberg der CDU und Bankenberater beim Badischen Genossenschaftsverband, bei seinem Vortrag im Veranstaltungszentrum der Volksbank Wiesloch. Thema war "Das automatisierte Kontenabfragesystem ? Einfallstor für die Aufhebung des Bankgeheimnisses". Die Leichtigkeit, mit der heute staatliche Stellen Zugriff auf Kundenstammdaten bei Banken haben, so Frey, habe mit dem ursprünglichen Ziel einer Bekämpfung des internationalen Terrorismus, von Drogenhandel und Geldwäsche nichts mehr zu tun. Es mache alle Bankkunden zu potenziell Verdächtigen.

Die Terroranschläge von New York und Madrid haben vielfältige Überlegungen zu Frühwarnsystemen ausgelöst. Dabei spielt auch Geld eine große Rolle. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) schätzte 2002 das Transaktions- und Bargeldvolumen des internationalen Terrorismus auf 1.5 Billionen US-$. Das sind 5 % der weltweiten Bruttoinlandsprodukte. "Geldwäsche" ist ein gängiges Mittel, um Gelder aus kriminellen Machenschaften in ganz normale Wirtschaftskreisläufe zu überführen.

Das Geldwäschegesetz verpflichtet Kreditinstitute, aber auch Versicherungen, Versteigerer, Spielbanken, Auto- und Immobilienhandel, Vorkehrungen gegen Geldwäsche zu treffen. Dazu gehört, dass die Unternehmen bei Vertragsabschluss ihren Vertragspartner zu identifizieren und sich zu erkundigen haben, ob dieser auf eigene Rechnung handelt. Verdachtsfälle sind dem Bundeskriminalamt zu melden. Im Zweifelsfalle entscheiden unternehmensseitig zu bestellende Geldwäschebeauftragte, welche Fälle als verdächtig zu melden sind. Der betreffende Kunde darf über eine solche Meldung nicht informiert werden. Zweifel an der Effizienz dieses Systems sind durchaus angebracht, hat doch von 6.600 Verdachtsanzeigen im Jahre 2003 lediglich ein Fall zur Verurteilung geführt. Der Referent sieht den Grund dafür in der schwierigen Beweislage. Ohne Beweislastumkehr sei § 261 StGB "eine stumpfe Waffe".

Seit dem 1. April 2003 sind Kreditinstitute verpflichtet, ihre Kundenstammdaten in eine zentrale Datei einzustellen, aus der die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) jederzeit Daten abrufen kann. Dabei haben die Kreditinstitute vom Verfahren her sicherzustellen, dass weder ihnen noch ihren Kunden diese Abrufe zur Kenntnis gelangen. Auf Anforderung erteilt die BaFin auch Strafverfolgungsbehörden Auskunft aus dieser Datei.

Durch das "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" wurde mit Wirkung vom 1. April 2005 das Ganze nochmals verschärft. Denn jetzt erhalten auch Finanzämter im ganz normalen Besteuerungsverfahren über das Bundesministerium für Finanzen Einblick in die Zentraldatei der Kundenstammdaten. Knüpfen andere Gesetze an Begriffe des Einkommensteuergesetzes an, z.B. Zollämter, Arbeitsämter, Sozialämter, BAFög-Stellen, so haben auch diese Stellen über das Bundesfinanzministerium Zugriff auf diese Daten, wenn sie versichern, dass andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg hatten oder haben können. Die Finanzverwaltung hat nicht das Recht, die Angemessenheit des Auskunftsbegehrens in Zweifel zu ziehen. Inzwischen ist nach Schätzungen von Fachleuten von 50.000 Abfragen pro Tag auszugehen.

Für die Kunden nur ein schwacher Trost, dass Joachim Frey entgegen Presseberichten klarstellt, dass über die Kundenstammdaten hinausgehend keine Kontenstände oder Kontenbewegungen mitgeteilt werden. Denn seit Anfang 2004 sind alle Banken und Sparkassen verpflichtet, ihren Kunden unaufgefordert Jahresbescheinigungen über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne auszustellen, die der Steuerpflichtige seiner Einkommensteuererklärung beizufügen hat. Entdeckt das Finanzamt durch das automatisierte Kontenabfragesystem, dass es nicht von allen Konten des Steuerpflichtigen Jahresbescheinigungen vorliegen hat, so fordert es diese nach. Unter´m Strich betrachtet, so Frey, ist der gläserne Bankkunde damit erschreckende Wirklichkeit geworden.
Joachim Frey machte deutlich, dass er die heutige Praxis für verfassungsmäßig äußerst bedenklich hält. Zum einen sieht er durch den anonymisierten Kontenabruf das Grundrecht der Bankkunden auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Zum anderen sieht er die ursprüngliche Zielsetzung zur Bekämpfung von Geldwäsche im Zusammenhang mit schweren Straftaten als missbraucht an zum Zwecke der Verifizierung ganz normaler Steuerklärungen, ohne dass der begründete Verdacht auf Steuerhinterziehung vorliegen muss. In diesem Sinne ist eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe anhängig. Das Inkrafttreten des Gesetzes konnte damit zwar nicht verhindert werden, weil das Bundesverfassungsgericht das Erlassen einer einstweiligen Anordnung ablehnte. Der Ausgang des anstehenden Hauptverfahrens wurde vom Gericht jedoch ausdrücklich als offen bezeichnet. Ob den Klägern allerdings ein in ihrem Sinne positiver Ausgang des Verfahrens noch etwas nützt, ist fraglich. Denn bis dahin können die zugangsberechtigten Stellen schon ihren Wissensdurst gestillt haben ... A.R.

Quelle Zeitungs-Scan:
- Wieslocher Woche vom 21.07.05

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